Hey Freunde,
ich schreibe euch aus dem Zug von Berlin nach Hause, nach meinem Panel Talk bei Cupra über Neuroscience. Da dachte ich, ich nehme mir mal wieder die Zeit für einen Newsletter :).
Die meisten von euch wissen ja, dass ich Medizin im 8. Semester studiere und mich seit über drei Jahren intensiv mit dem Lernen und der Neurowissenschaft dahinter beschäftige. Ich trete deutschlandweit auf Bühnen auf und habe so schon über 400.000 Menschen gezeigt, wie man richtig lernt.
Denn genau das ist der Punkt: Es gibt ein richtig oder falsch. Lernen ist nur zu einem kleinen Teil individuell.
Ich gebe dir in diesem Newsletter meine neun wichtigsten Key Learnings aus all den Jahren Lernerfahrung und den tausenden Coachings, die ich in meinem Leben hatte. Ich verspreche dir, diese werden dein Lernen auf die nächste Stufe heben und dir einen meilenweiten Vorsprung zu deinen Kommilitonen geben.
Jeden Tag erreichen mich Nachrichten von Menschen, die durch einfache Änderungen in ihrer Lernroutine auf einen 1er-Schnitt im Studium gekommen sind. Häufig sind die Fehler, die Studierende machen, so leicht ersetzbar, dass man sich im Nachhinein ärgert, warum man das nicht früher gewusst hat.
Erspare dir das – hier kommt das erste Learning:
1. Das Sammeln von Puzzleteilen ist wichtig, aber das vollständige Bild zeigt sich erst, wenn man die Teile zusammensetzt.
Was meine ich damit? Alle sprechen von Active Recall und Spaced Repetition und wie wichtig es ist, diese in einem Lernflow zu verbinden. Das naheliegendste dafür ist natürlich die App Anki.
Diese ist auch wirklich effektiv, keine Frage, jedoch nicht alleine. Genau das ist das Problem. Vor allem bei Medizinstudenten sieht man häufig, dass man nur Anki benutzt, um sich auf eine Prüfung vorzubereiten, und hat dann 2000 offene Karteikarten.
Das ist Unsinn, weil du so einzelne Fragmente und Bausteine eines Themas lernst, aber nie den Gesamtzusammenhang verstehst. Darum geht es aber beim Lernen. Du willst verstehen und nicht auswendig lernen. Das Auswendiglernen folgt automatisch, nachdem du ein Thema verstanden hast.
Das bedeutet, du solltest den Lernprozess umwandeln und Anki beispielsweise als Add-On betrachten und nicht als Hauptlernmethode. Immer wenn dir im Lernprozess Begriffe oder Modelle über den Weg kommen, die du dir nicht merken kannst, oder einfach Dinge, die du stumpf auswendig können musst, dann trägst du diese als Karteikarte ein. That's it.
Das Wesentliche beim Lernen sollte woanders passieren.
2. Lernen ist Vergessen.
Es klingt vielleicht widersprüchlich, aber lass mich das erklären. Stell dir deine Nervenzellen im Gehirn vor, wie sie Verknüpfungen aufbauen, wenn du etwas Neues lernst, und wie sie diese Verknüpfungen auch wieder verlieren, wenn du die Information länger nicht brauchst.
Dieses Verlieren der Information ist wertvoll. Wieso? Ganz einfach, weil die Verbindung so nur umso stärker wird. Wenn du durch den Schnee läufst, hinterlässt du in der Regel eine kleine Spur. Gehst du wieder durch, wird es ein kleiner Pfad. Gehst du 4-5 mal über die gleiche Stelle, dann wird daraus ein tiefer Weg.
Genau das willst du beim Lernen erzeugen. Also konkret: Wenn du das nächste Mal lernst, dann denke dir nicht, "ich muss mir das jetzt alles behalten und ich lese mir das so lange durch, bis ich es kann". Nein. Stattdessen genieße es sogar, wenn du mal etwas komplett vergessen hast. Nimm es an, dass du bei den ersten 4-5 Wiederholungen einfach noch nicht alles wiedergeben kannst.
Erst danach kannst du anfangen, dich wirklich intensiv daran zu erinnern.
3. Das Beste am Lernen entsteht oft in den Momenten, die am anstrengendsten sind.
Als ich letztens ein 1:1 Gespräch mit einem Bekannten hatte, der wirklich große Probleme beim Lernen hat, fragte ich ihn in seiner Verzweiflung einfach mal, wie er sich nach dem Lernen fühlt, wenn er drei Stunden gelernt hat. Er sagte, er fühlt sich unausgelastet und will so schnell wie möglich weg vom Schreibtisch und raus.
Daraufhin fragte ich, wie anstrengend denn die Lerneinheit war. Was ich herausgefunden habe, war, dass er beim Lernen eigentlich konstant den leichteren Weg gegangen ist. Er hat Lernmethoden gewählt, die nicht besonders anstrengend sind und hat die Dinge häufiger wiederholt, die er sowieso schon wusste.
Hier kommt es: LERNEN MUSS UNGLAUBLICH ANSTRENGEND SEIN. Wenn du ins Fitnessstudio gehst oder Sport machst, bist du danach doch auch kaputt, oder? Im besten Fall ist das so. Betrachte dein Gehirn genau wie einen Muskel. Du willst an die letzten Wiederholungen gehen und alles ausschöpfen, was geht.
Denn genau bei der Anstrengung, wenn du den unangenehmen Weg gehst und mal eine Antwort nicht weißt und wirklich grübelst und wirklich übst, dich aktiv auseinandersetzt, genau da lernst du.
Dein Gehirn braucht das Gefühl, dass die Informationen relevant für die Zukunft sind. Und dieses Gefühl bekommt es, wenn es strugglet. Wenn es nicht strugglet, dann fehlt der Anreiz dafür, dass es in Zukunft auch noch hängenbleiben soll, was du da lernst. Dann denkt dein Gehirn, die Information ist nicht wichtig.
4. Wissen gewinnt an Tiefe, wenn es Relevanz in deinem Gehirn hat.
Stell dir drei Schranken vor, die Informationen übergehen müssen, damit sie sich langfristig abspeichern. Die erste Schranke ist einfach nur der visuelle oder auditive Reiz, den man aufnimmt. Davon nimmt dein Gehirn in der Sekunde 11.000 auf.
Es kann aber nur 40% davon wirklich verarbeiten. Das bedeutet, es muss hier schon mal aussieben, was relevant ist und was nicht. Übrigens ist es deswegen so wichtig, dass du visuellen Fokus aufbaust, kurz bevor du lernst. Das ist aber ein anderes Thema.
Dann kommt die zweite Schranke, nämlich die deines Arbeitsgedächtnisses. Hier gelangt die Information hin und bleibt wenige Sekunden/Minuten. Dort wird entschieden, ob das Ganze dafür gedacht ist, dass man sich es langfristig behält oder nicht. Hier beginnt unsere Relevanz.
Wie schafft man es, dem Arbeitsgedächtnis zu signalisieren, dass das wichtig ist, was man da lernt?
Eigentlich ist das wirklich einfach. Wenn du das nächste Mal lernst, setz dich einfach mal fünf Minuten vorher hin und visualisiere dir wirklich vor Augen, in welcher Situation, wieso und wie genau du das Thema brauchen wirst. Je lebhafter du dir das vorstellst, desto besser. Dadurch gewinnt das Thema an Relevanz und es wird leichter für Schranke Nummer drei.
Das Langzeitgedächtnis. Nachdem die Information als wichtig eingestuft wurde und bereits ins Langzeitgedächtnis übertragen wurde, geht es jetzt darum, dass sie dort auch bleibt.
Genau das schaffst du, indem du es wirklich brauchst. Einfach gesagt bedeutet das: üben, üben, üben. Die meisten Studenten machen das einfach falsch. Sie fangen viel zu spät an, Übungsaufgaben zu machen und verlieren so das theoretische Wissen nach und nach, das sie angesammelt haben. Mach diesen Fehler nicht.
Fokus
Relevanz
Übung
5. Verbindungen schaffen:
Als ich früher gelernt habe und noch keine guten Ergebnisse bekommen habe, war es meistens so, dass ich Fakten und Wörter und Konzepte einzeln betrachtet habe. Diese Formel lerne ich jetzt oder dieses Geschichtsdatum oder diesen Citratzyklus.
Wenn du das machst, dann ignorierst du einen großen Teil davon, wie dein Gehirn funktioniert. Je mehr Verbindungen von einer Nervenzelle zu anderen Nervenzellen bestehen, desto höher wird die Information darin priorisiert.
Also was du brauchst, um richtig schnell auf etwas zurückgreifen zu können, sind vor allem Verbindungen zu einem Wissensteil, den du sowieso schon hast. Überlege dir, wenn du lernst, womit du das Wissen tatsächlich verknüpfen könntest, das du da gerade aufgenommen hast. Es muss nicht mal etwas sein, das direkt etwas mit dem Thema zu tun hat. Aber an irgendetwas erinnert es dich. Denke darüber kurz nach. Dann schreib es dir auf.
Am besten funktioniert das übrigens mit Flow-Maps, wie der hier zum Beispiel:
Je mehr Verknüpfungen du innerhalb eines Themas aufbaust, desto leichter fällt dir das Verständnis und das Lernen.
6. Denken ist nicht das Lernen von Tatsachen, sondern das Üben des Geistes im Erkennen von Zusammenhängen. – Galileo Galilei
Das ist wirklich wichtig und spannend. Wenn du das nächste Mal lernst, dann fokussiere dich mal darauf, zu hinterfragen, warum du jeden Wissenspunkt überhaupt wissen musst. Meistens ist es ja so, dass du dir pro Thema eine Art Pyramide baust. Zuerst kommen die Basic-Infos und darauf aufbauend kommt die nächste Ebene und so weiter.
Wahrscheinlich hast du aber nie hinterfragt, warum das so ist. Und ob es vielleicht auch richtig ist, dass man das so lernt. Ich meine damit nicht, dass du mathematische Formeln neu entwerfen sollst oder biologische Prozesse neu entdecken musst. Was ich meine, ist einfach nur, "warum" zu fragen. Warum passiert das jetzt so, wie es passiert? Könnte das nicht auch anders sein? Was wäre, wenn ich XYZ mache?
So hast du eine ganz andere Ebene, auf der du das Thema lernst. Du gehst viel tiefer.
7. Du scheiterst, weil du zu viel Zeit mit dem Lernen verbringst.
Lerne weniger. Es ist so einfach. Ich dachte früher immer, wenn ich mehr lerne, werde ich besser, aber das stimmt nicht. Man hat dann immer von den anderen gehört, "ich habe gestern 8 Stunden gelernt" und dann hat man sich schlecht gefühlt.
Ganz ehrlich, ignoriere das komplett. Parkinsons Gesetz: Arbeit dehnt sich immer zur Verfügung stehenden Zeit aus. Gibst du dir selbst zwei Stunden Zeit zum Lernen, brauchst du zwei Stunden. Gibst du dir acht Stunden Zeit, brauchst du acht Stunden.
Also lerne ich lieber drei Stunden voll effektiv für eine Prüfung mit 1000% Fokus, null Ablenkung und komplett geplant und strukturiert, als zwölf Stunden unproduktiv, abgelenkt und ohne Plan.
Das Lustige ist ja auch, dass du so viel mehr Energie behältst. Unmöglich hält man es lange durch, jeden Tag so viel zu lernen. Aber drei Stunden schafft man täglich ohne Probleme!
Also konzentriere dich auf die Qualität deiner Lerneinheit und nicht auf die Quantität.
8. Nicht alles, was zählt, kann gezählt werden. Und nicht alles, was gezählt werden kann, zählt.
Die Kunst des Lernens liegt darin, das Wichtige vom Unwichtigen zu trennen und Prioritäten zu setzen.
Viel zu häufig habe ich alles gelernt, was prüfungsrelevant war. Hätte ich mir einfach am Anfang einen ordentlichen Lernplan geschrieben, bei dem ich konkret zur Perspektive des Prüfers gewechselt hätte, dann wäre es mir aufgefallen.
Priorisierung: Wichtiges von Unwichtigem trennen und das Wichtige häufiger und intensiver lernen. Wenn du dann im Lernplan voranschreitest, kannst du die Strategie wechseln, indem du die Themen priorisierst, die du noch nicht so gut kannst.
So einfach ist das.
9. Prüfungsangst ist nur der Schatten der Prüfung. Je besser du vorbereitet bist, desto kürzer ist dieser Schatten.
Wenn du aufgeregt bist vor Prüfungen, gibt es viele kleine Tipps und Tricks, die alle sicherlich helfen können. Am besten ist es aber, einfach vorbereitet zu sein. Sowohl inhaltlich als auch mental.
Wenn du wirklich am Abend davor mal visualisiert hast, was da auf dich zukommt, wie genau das ablaufen wird und wie du dich währenddessen fühlst. Ganz rational. Dann verlierst du die Angst immer mehr.
Voraussetzung ist aber einfach, dass du gut gelernt hast. Wenn das nicht der Fall ist, wirst du leider immer Prüfungsangst haben. Dann ist die Angst ja auch berechtigt. Da kann dir dann auch niemand helfen. Ich denke aber, das ist eine positive Information für dich, denn es ist so einfach, sich gut vorzubereiten, wenn man es wirklich will.
Ich hoffe das hilft dir 🫶🏻 bald announce ich hier etwas sehr nices für dich. Wird ein wirklicher Gamechanger für dich wenn du regelmäßig lernst.
Dir noch eine schöne Woche! Stay productive.
Bis zum nächsten mal
Dein Henry